Alia Raza – Régime Des Fleurs

Alia Razas Bruder lebt in Berlin, sie hat beruflich viel in Paris zu tun, Berlin ist nur anderthalb Stunden entfernt und so besucht sie die Stadt relativ häufig, um ihre Nichten sehen zu können. Derzeit ist das natürlich nicht möglich, wie viele Amerikaner sitzt Alia in New York fest. Von daher führten wir unser Gespräch über Facetime

Bei Google wirst Du als Regisseurin geführt. Dein Film hat einen sehr langen Namen, in dem es um narkotische Blütendüfte geht — Wie bist Du zum Parfümieren selbst gekommen?

Ich habe mit Kunstvideos angefangen. Um meine Kunst zu finanzieren, habe ich Musikvideos gedreht und Werbung für Modemarken. Mit 27 bin ich dann von New York nach Los Angeles umgezogen, daran führte kein Weg vorbei, wenn ich mit meinen Filmen Karriere machen wollte. Der Film, von dem Du sprichst, zeigt Leute, die ich kannte — Chloë Sevigny zum Beispiel, Kim Gordon aber auch Devendra Banhart — bei ihrem persönlichen Ritual zur Schönheitspflege. Für mich ist das eine Metapher für das Verhältnis, das ein Mensch zu seinem Selbst hat. Dabei geht es um den Konsum von Luxus als Metapher für die Wertschätzung des Selbst und auch um die Ängste, selbst nicht ausreichend schön zu sein; nicht im Auge der anderen, sondern hinsichtlich des Schönheitsideals in der Gesellschaft. Wie wollen wir gesehen werden? Welches Gesicht machen wir uns für die Welt — Das ist jedes Mal eine kleine Inszenierung, die der Mensch da in seinem Badezimmer oder wo auch sonst, unternimmt. In dem Film sieht man die unterschiedlichen Menschen auch in unterschiedlich gearteten Räumen bei ihrer Arbeit an sich selbst. Die logische Weiterentwicklung dieser Gedanken war ein eigenes Parfum.

Weil man Düfte schlecht verfilmen kann?

Parfums waren bislang mein Hobby gewesen. Allerdings bestand meine Beschäftigung mit ihnen nicht darin, Parfums selbst herzustellen, sondern sie zu kaufen. Von klein auf war ich von Düften und kosmetischen Produkten besessen. Und meine Filmkunst kreiste unterschwellig um ein Parfum aus meiner Fantasie, das ich mir seit Kindertagen schon ausgemalt hatte. Es sollte so wirken wie der Titel meines Films es beschreibt: «Die zerbrechlich weißen Blüten verströmen eine hypnotische Kaskade tropischen Aromas, deren süßer, berauschender Duft seinem Opfer den Kopf verdreht».

Die Umsetzung dieser Idee ist Dir mit Régime Des Fleurs auf vielfältige Weise gelungen.

Ursprünglich war ich bloß fasziniert von der Anziehungskraft der Düfte von weißen Blüten wie Gardenien, Tuberose und Jasmin. Sie blühen nachts und werden von Motten bestäubt. Die Düfte dieser Nachtgeschöpfe sind grundsätzlich anders geartet, als die von den Blumen des Tages, die auf Bienen setzen. Es gibt Menschen, die fühlen sich von den animalischen Noten in den Düften dieser Nachtblumen abgestossen.

Man sagt ihnen nach, dass sie sexuell stimulierend wirken; Jungfrauen ließ man früher nicht unbegleitet in den Garten, in dem die Tuberosen blühen.

Einserseits sind es aphrodisierende Düfte, aber andererseits — oder gerade darum — erinnern sie uns auch an die Vergänglichkeit. Die Moleküle von Indolen und Skatolen werden sonst bei der Verwesung freigesetzt. In diesen Düften weht ein Vanitas-Motiv. Das ist etwas, das diese Düfte einzigartig macht, weil ein normaler Mensch sie nicht mit Blüten zusammenbringen könnte. Oder mit Parfum.

Die meisten werfen einen Blumenstrauß weg, sobald die Blüten zu welken beginnen.

Sobald sie eine andere Form ihrer Schönheit zu zeigen beginnen. Weil die meisten Menschen sich den Anblick eines blühenden Lebens wünschen. Frisch und hübsch. Blumen stehen seit ewigen Zeiten in dem Ruf, zwar sehr hübsche, aber auch unbedarfte und unschuldige Geschöpfe zu sein. Man denke bloß an die Lilien auf dem Felde im Matthäus-Evangelium: selbstlos blühen sie zur Freude des Menschen … Da steckt doch mehr dahinter. Vor allem Sexismus und Frauenfeindlichkeit, wenn man das Weibliche mit den harmlosen Blumen asoziiert. Wenn ich früher gefragt worden war, worum es in meiner Kunst geht, habe ich erzählt, dass ich mich vor allem mit Parfums und mit Schönheitspflege beschäftigem will. Dann wurde gelacht — ohne groß nachzufragen. Man hielt das für Ironie. Das passte halt zu gut ins Klischee eines altmodischen Frauenbildes.

Wahrscheinlich wurde Parfum da von seiner Bedeutung her mit Nagellack gleichgesetzt.

Ganz genau! Die hübsche Welt von Verwöhnungen und kleinen Frivolitäten. So war das Frauenbild einmal, so ist es aber längst nicht mehr. Genau genommen ist es längst bloß noch lächerlich.

Bist Du dann bei einem Parfumeur in die Lehre gegangen?

Nein, ich habe mich aus Büchern und online informiert. Sehr wichtig wurde für mich Mandy Aftel, eine Parfumeurin in der Bucht von San Francisco, die eine Slow-Scent-Bewegung begründet hat. Sie arbeitet seit Jahrzehnten schon mit natürlichen Parfümölen und hat viele Bücher dazu veröffentlicht. Mit ihrem Einführungskurs fing dann bei mir alles an. Für die Grundlagenforschung hatte ich mir ein halbes Jahr freigenommen. Ich bekam ein Set aus Ölen und erstellte daraus meine ersten Duftmischungen. Ich glaube übrigens bis heute nicht, dass ich vom Handwerklichen her gut bin.

Du bist ein Naturtalent. Die Parfumeure, die ich kenne, haben Jahre in ihre Ausbildung investieren müssen, bevor sie ihr erstes eigenes Parfum veröffentlichen konnten.

Ich hatte das Glück, dass Regime des Fleurs gleich für die erste Kollektion große Aufmerksamkeit entgegen gebracht wurde. Vor allem auf Instagram. Das hat mich selbst überrascht.

Ist das nicht verrückt, dass man selbst Düfte über Instagram bewerben kann — also für ihr Aussehen, das Produktdesign, wie der Flakon gestaltet ist?

Es ist fabelhaft! Wir hatten ja anfänglich kein Budget für Marketing oder Werbemaßnahmen. Aber zu diesem Zeitpunkt ging es dem stationären Handel schon schlecht und die Kunden gingen vermehrt online, auch um Parfums zu kaufen. Instagram brachte für mich einen Schub, ohne den aus meiner Marke nichts geworden wäre. Aber so war Régime des Fleurs mit einem Mal dieser Marke, über die man sich in der Branche unterhielt. Viele Marken mussten ihr gestaltungskonzeot überarbeiten, um online erfolgreich sein zu können. RDF hat mit Sicherheit sehr geholfen, dass die Produkte von vorneherin für sehr gut aussehend befunden worden waren. Ich wurde direkt von Herstellern kontaktiert. Ich fand mich in Meetings in New York, in Paris und sogar in Tokio. Auf einmal war ich ein Teil dieser Branche, über die ich immer nur gelesen hatte. Ich konnte einerseits Düfte entwickeln mit Laboratoires Robertet in Grasse, aber auch mit International Flavours and Fragrances in den Vereinigten Staaten. Ich arbeite jetzt also mit unterschiedlichen Parfumeuren zusammen. Die Aufgabe der Kreativdirektorin macht mir große Freude.

Du stehst nicht mehr selbst im Labor?

Hin und wieder schon. Das will ich nicht aufgeben, weil es mir auch Freude macht.

Hast Du noch die volle Kontrolle über die Details bei Régime des Fleurs?

Ich habe über alles die volle Kontrolle. In kreativer Hinsicht besteht die Firma aus mir. Ich arbeite mit Designern und anderen Fachleuten zusammen, aber das letzte Wort habe immer ich. Derzeit entwickle ich das Design der Flakons weiter. Da arbeite ich mit einem Architekten aus New York zusammen. Meine Art der Zusammenarbeit ist extrem kommunikativ. Ein Meeting mit mir kann zehn Stunden dauern.

Wie kam es zur Zusammenarbeit mit Inez van Lamsweerde und Vinoodh Matadin für die Werbemotive mit Chloë Sevigny? Das sind doch einfach noch immer die exklusivsten Modefotografen der Welt.

Da hatte ich mal pures Glück.

Ja ja, das glaube ich freilich gern.

Na gut, ich will nicht lügen. Mit Glück hatte das nichts zu tun. Mit Chloë hatte ich ja vor Jahren schon bei meinem Film zusammengearbeitet. Daraus war eine Freundschaft gewachsen. Als ich mit Régime des Fleurs an die Öffentlichkeit gegangen bin, hatte sie mir eine SMS geschrieben, um mir zu gratulieren. Ich schickte ihr einen Flakon und sie war angenehm überrascht von dem Duft, den ich für sie ausgewählt hatte «Nitesurf».

Der momentan leider ausverkauft ist …

Er kommt 2021 wieder! Auf jeden Fall ist daraus unsere Idee zu einer erneuten Zusammenarbeit entstanden. Und es war Chloës Idee, dass Inez van Lamsweerde mit Vinoodh das Kampagnenmotiv machen. Weil sie die Bilder von ihnen am liebsten mag. Und alles, was Chloë macht, soll authentisch sein. Das war also keine konstruierte Zusammenarbeit, es war alles auf natürliche Weise zusammengewachsen. Das lässt sich aber nicht erzwingen. Von daher hat es insgesamt vier Jahre dafür gebraucht.

Hast Du die Marke von vorneherein für weibliche Düfte konzipiert?

Nein, überhaupt nicht. Der Bestseller ist derzeit zwar «Little Flower», aber davor war es «Falling Trees» — für mindestens drei Jahre — und der wurde vor allem von Männern getragen. Wir haben viele männliche Kunden. Die Kollektion, an der ich derzeit noch arbeite, und die im Herbst kommen soll, hat einige maskuline Kompositionen. Insgesamt wird das eine androgyne Kollektion. Bei den Nischenparfums ist es mittlerweile Normalität geworden, die Düfte von vorneherein genderless zu bezeichnen. Das ist in Ordnung, aber zugleich stelle ich mir jetzt die Frage, was Männlichkeit dann überhaupt bedeuten könnte. Viele meiner Freunde, schwul oder hetero, haben derart ausgefuchste Geschmacksvorlieben entwickelt — ich will Düfte entwickeln, die solchen Geschmäckern entgegenkommen können.

 

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