Antje Wewer – Journalistin

Liebe Antje, es freut mich sehr, dass Du für MDC next door eine Auswahl von Zeitschriften zusammengestellt hast. Woher kommt eigentlich Deine Begeisterung für diese Welt der Zeitschriften und Magazine?

Ich liebe sie immer noch, obwohl sie schon so oft totgesagt worden ist. Tatsächlich verschwinden auch immer wieder welche. Das Neon Magazin zum Beispiel, bei dem ich Redakteurin war. Oder das sehr schöne Magazin SZ-Familie, was eingestellt wurde, weil Eltern genug Inspiration via Instagram bekommen oder keine Zeit mehr zum Lesen finden. Das charmante Reisemagazin Paradiso pausiert gerade und Andy Warhol’s Interview, die deutsche Version, existiert nicht mehr. Im Gegenzug gibt es sehr viele Nischen-Magazine, die mit viel Hingabe gestaltet werden.

Wie bist Du eigentlich selbst zum Schreiben gekommen?

Als ich in New York war als Au-Pair. Das war in den neunziger Jahren zur Hochphase der Glamour-Magazine. Ich hatte viel Zeit, weil ich lediglich die Kinder beaufsichtigen musste und habe dementsprechend viele Magazine gelesen. Alles von Vogue und Vanity Fair bis Village Voice und New Yorker. Danach war mein Berufswunsch klar. Während meines Volontariats war ich bei Allegra in Hamburg. Damals stilprägend, heute Schnee von Gestern.

In den USA gibt es eine Magazinkultur, die sich bei uns nie so richtig entwickelt hat.

Mit der Sonntagsausgabe der New York Times, die ja mehrere Kilo wiegt, in den Park zum Blättern und Lesen, das gehörte zu einer Idee, die man von sich als New Yorker hatte. Man hat aber in den neunziger Jahren auch noch sehr viel und auch ununterbrochen gelesen. Mittlerweile hat sich die Magazinkultur in Deutschland schon wieder verändert, zum Positiven, weil sämtliche englischsprachige Titel auch hier erhältlich sind. Andere wie den New Yorker oder Gentlewoman habe ich im Abo. Das war früher umständlich und teuer, oder man musste zum Flughafen fahren, um eine internationale Zeitschrift zu kaufen. Heute bekommt man noch eine Tote Bag, die man auch wirklich haben will, als Dankeschön dazu. Der Weekender, eine der Zeitschriften, die ich für Deinen Laden ausgesucht habe, erscheint auf Deutsch und auf Englisch.

Tyler Brûlé hat ja damals zur Eröffnung des Berliner Hauptbahnhofes in seiner Kolumne in der Financial Times geschrieben, dass Berlin schon allein deshalb keine Weltstadt sei, weil man auf den Straßen ausschließlich deutsche Sprache zu hören bekommt. Das hat sich auf jeden Fall verändert.

Ja, und die interessanten Zeitschriften wollen sich dann auch nicht mehr nur auf Deutschland beschränken!

Kennst Du denn noch viele Menschen, bei denen das Kaufen und Lesen von Zeitschriften noch zum Informationsverhalten gehört?

Ich habe das Gefühl, dass Zeitschriftenleser zu einer bestimmten Gruppe dazu gehören. Die Zeitschrift Salon beispielsweise, bei der ich Editor at Large bin, verkauft sich sehr gut bei Marsano, wo Du ja auch Deine Sträuße für die Läden binden lässt. Da gibt es einen Zusammenhang: Dass man sich für schöne Blumen interessiert und für schön gemachte Magazine. Die kosten natürlich auch von 10 Euro aufwärts, manche 20, und die Leute sind bereit, diese Preise für ein Exemplar zu bezahlen. Der Besondere ist, dass ein Magazin zusammengestellt, also kuratiert wird. Ähnlich wie Du für Deinen Laden Produkte auswählst, die am Ende ein großes ästhetisches Ganzes ergeben. Das ist der Gegentrend zum Stream bei Instagram, wo ich manchmal das Gefühl habe, dass ich Sachen anschaue, die ich gar nicht sehen wollte. Dann stellt sich ein Fast-Food-Feeling ein, weil man zuviel vom Gleichen hatte.

More of the same, bis man es nicht mehr sehen kann.

Genau. In einem guten Magazin wird eine mir vertraute Welt vorgestellt, in der es aber immer auch Überraschungen gibt. Man liest ja nie alles. Vor allem nicht gleich. Eine Zeitschrift kann man immer wieder zur Hand nehmen. Das Zusammenspiel von Bildern und Text finde ich nach wie vor unglaublich reizvoll. Und die Form, wie auch das Buch, ist über Jahrhunderte erprobt. Die liegt uns einfach. Wenn ich einen Text auf Papier lese, kann ich ihn mir viel besser merken.

Mich fasziniert daran natürlich wieder, dass damit ein Handwerk verbunden ist.

Das Zusammenstellen der Inhalte ist beinahe eine Kunstform. Bei manchen Magazinen wie dem Cabana Magazine, Pleasure Garden oder Holiday wirkt es zumindest so.

Der Bundesverband der deutschen Zeitschriftenverleger hatte mal einen Slogan, der lautete «Jetzt ’ne Zeitschrift» …

Ich brauche keine spezielle Gelegenheit, mich interessiert die Zeitschrift in dem Moment, wo sie erscheint. Mich interessiert, was auf dem Cover abgebildet wird. Welche Geschichten stehen drin? Ich schätze das Haptische, gerade weil so viel digital läuft, sehr: Verschiedene Papierarten, die Schriften und — ganz wichtig — der schöne Geruch. Die Papiere duften alle unterschiedlich, genauso wie die Druckfarben.

Sammelst Du Deine Zeitschriften?

Ja, klar! Ich habe alle Ausgaben von Der Freund. Alle Neon Ausgaben, bei denen ich mitgearbeitet habe und jede Salon, seit sie 2015 zum ersten Mal erschienen ist. Den Weekender auch komplett. Natürlich gibt es auch Magazine, die ich nicht aufbewahre. Also Altpapier gibt es bei mir auch.

Aber generell geht der Trend wohl schon zum buchhaften Heft. Purple wird immer dicker. Götz Offergeld hatte es zuletzt mit seinen Numéro übertrieben: Die waren so dick wie die September Issue, bloß halt jedes Mal. Damit geht man dann wohl nicht mehr ins Freibad…

Ich finde es wichtig, dass ein Magazin nicht bloß ein Objekt sein will. Es darf auch nicht zu sehr wie ein Buch oder Katalog gestaltet sein. Wenn die Momentaufnahme einer Zeit nicht mehr darin enthalten ist, verliere ich das Interesse. Aber im besten Fall ist genau das geglückt und ich finde, egal wie abstrakt es gestaltet wurde, eine Momentaufnahme meiner Zeit, der Zeit, in der ich lebe. Und lese.

Vielleicht ist das auch einer der Vorteile von Gedrucktem auf Papier: Man weiß, dass es Geld gekostet hat, dieses Produkt herzustellen. Und zu vertreiben et cetera. Durch dieses Wissen wird der Inhalt aufgewertet. Wie durch einen Rahmen um eine Fotografie.

Im Vergleich zum Online lesen empfinde ich ein schöneres, entspannteres Gefühl, wenn ich das Zusammenspiel von Bild und Texten auf Papier betrachte. Es ist auch eine vergleichsweise angenehme Welt, in der ich nicht andauernd damit konfrontiert werde, wer jetzt gerade auch liest, was ich lese, und was er davon hält. Ich schätze meine Privatsphäre als Leserin.

Mir fällt übrigens gerade ein, dass ich niemanden kenne, der eine Bibliothek von E-Books hat. Eigentlich war das ja eine gute Idee, aber es ist wie Du gesagt hast: Man liest anders. Das Erlebnis ist anders. Und das nicht besser.

Man kann es mit Schallplatten aus Vinyl vergleichen: Unser Alltag hat sich verändert, das Magazinlesen ist aus der Öffentlichkeit verschwunden, stattdessen scrollen wir durch unsere Bildschirme. Deshalb bin ich ja auch so froh, dass wir jetzt in Deinem Laden dieses Zeitschriftenregal eingerichtet haben. Vermutlich sind ja nicht nur Blumenfreunde Zeitschriftenmenschen, sondern auch die Freunde von Ästhetik, von Wohlgerüchen und von Porzellan.

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