Astier de Villatte – Benoît, Ivan and Dominique Ropion
Zum Gespräch mit Benoît Astier de Villatte und Ivan Pericoli von AdV sowie dem Parfümeur Dominique Ropion traf ich mich anlässlich Ihrer Parfümvorstellung bei MDC cosmetic.
Beinahe jeder Kunde, jede Kundin, die bei uns zum ersten Mal eine Tasse oder einen Teller, einen Räucherstäbchenhalter von Astier de Villatte in die Hand nimmt, fragt, aus welchem Material die gemacht wurden. Leichtgewichtiger als Ton oder Porzellan. Vom Gefühl her aber beinahe so hart wie Metall.
IVAN PERICOLI
Es klingt sogar ein wenig wie Metall. Aber die Besonderheit unserer Stücke rührt nicht allein von dem Material her, das wir verwenden. Es liegt zum anderen auch an einer Technik, die bei uns zum Einsatz kommt. Das Material ist eine bestimmte Sorte Ton, die man üblicherweise verwendet, um die Form für eine Skulptur herzustellen, von der man später einen Abguss nimmt. In diesem Ton ist ein signifikant grösserer Anteil an Schamott. Im Grunde ist mit diesem Ton gar kein fragiles Arbeiten möglich, er ist recht grob von seiner Materialität her, nicht sehr dicht, aber wir mögen gerade diese Beschaffenheit. Dazu kommt dann unsere Technik, die alt ist, aber heute beinahe schon vergessen. Unsere Stücke entstehen in Handarbeit. Und mit den Händen wird der Ton in Formen gepresst — ungefähr wie bei den Votivbildern in Wachs oder bei Gebildebroten, die in Holzmodel geprägt werden. Sie können sich kaum vorstellen, wie lange es braucht, bis mit dieser Technik in diesem Material ein Stück gefertigt ist. Ich nehme auch an, dass es vor allem aus diesem Grund niemand außer uns noch macht! In Europa war diese Technik ja noch bis in das 18. Jahrhundert verbreitet. Aber dann hat der Guss mit flüssigem Material sich durchgesetzt.
Das Material zerbricht ja auch auf eine eigentümliche Weise. Ein Kunde hat mir neulich seinen Räucherstäbchenhalter gezeigt, den seine Katze auf den Fliesenboden gefegt hatte: Zig schwarze Brösel, da war nichts zu retten.
IVAN PERICOLI
Ja, bedauerlich. Katzen sind der natürliche Feind von Astier de Villatte.
Wie sind Sie auf dieses Material gestoßen — Bei der Recherche nach der verlorenen Stempeltechnik?
IVAN PERICOLI
Nein, an der Kunsthochschule. Dieser Ton wird dort ausgeteilt, wenn es an die Bildhauerei geht. Das hat sich wohl eingeprägt. Wobei ihn meines Wissens nach niemand sonst auf der Welt für die Herstellung von Tassen oder Tellern verwendet.
Dann will ich jetzt Dominique fragen, wie er das möglich gemacht hat, dass wir jetzt, 2023, ein Parfum wiederentdecken können, das die Zeitgenossinnen von Brutus und Julius Caesar schon getragen haben. Und über das Plinius der Ältere geschrieben hatte.
DOMINIQUE ROPION
Ich hatte von Annick Le Guérer, einer Parfumhistorikerin, die Formel für dieses Parfum «Artaban» bekommen. Interessanterweise sind uns sämtliche Bestandteile dieser Formel bis heute vertraut geblieben. Mein Problem, ein echtes Parfumeursproblem, bestand lediglich darin, dass ich mir die Methoden der Extraktion aus jener Zeit vor über 2000 Jahren vergegenwärtigen musste. Die Parfumeure haben seinerzeit die Pflanzenteile und ähnliches nicht im Parfumeursalkohol extrahiert, wie wir das heute machen würden und auch machen. Man hat wohl die organischen Bestandteile in Vasen aus Terracotta getrocknet, dort auch teilweise mit Wein gemischt, um bestimmte Duftnoten zu erhalten. Sie können sich leicht vorstellen, dass wir auch über den Wein der Römer nicht allzu viel wissen, um uns das Ergebnis solcher Mixturen wirklich plastisch vorstellen zu können. Meine Aufgabe war also, aus diesen bis heute bekannten Zutaten ein Parfum zu komponieren, das auf mich ästhetisch sinnvoll wirken könnte.
Wobei die Ästhetik der Römer vor mehr als zweitausend Jahren ja ebenfalls interpretationswürdig bleiben dürfte. Man aß damals ja auch mit anders gestimmtem Gaumen — es wurde mit Garum gewürzt, einer Soße aus vergorenem Fisch, wie man sie heute noch in den Subtropen kennt. Auch die Mode war anders. Die Tischsitten erst! Wie könnte man diese Ästhetik mit unserer heutigen in Einklang bringen? Hatten Sie bei der Arbeit an «Artaban» ihre römische Nase angeknipst?
DOMINIQUE ROPION
Hahaha — na ja, wenn ich diese Zutaten vor mir sehe, dann sehe ich mit meiner Erfahrung natürlich bei jeder einzelnen von ihnen den Effekt vor mir, den sie auf die Gesamtwirkung der Komposition haben wird. Dieser Aspekt meiner Arbeit hat womöglich mehr mit Chemie zu tun als mit Musik. Es ist dann tatsächlich wie bei einer Art Rätsel, einer chiffrierten Symphonie: Ich musste sämtliche Stimmen zur Wirkung verhelfen, ohne dass Misstöne das große Bild trüben könnten.
Gibt es ihrer Ansicht nach Ähnlichkeiten bei dem Parfum aus der ägyptischen Hochkultur und jenem aus der Römerzeit?
DOMINIQUE ROPION
Jede Menge! Wir wissen ja heute, dass noch im zweiten Jahrhundert «Le Dieu Bleu» in Rom verkauft wurde. Es war also eine Art Klassiker in jener Zeit — notabene schon seit zweitausend Jahren im Handel! Und von daher auch recht einflussreich…
Lassen Sie uns noch bei den Wohlgerüchen bleiben: Ivan, Benoît, viele unsere Kundinnen und Kunden lieben die Räucherstäbchen von Astier de Villatte. Könnten Sie kurz erzählen, wie Sie einst auf diese eigentümliche Herstellungsweise der japanischen Räucherstäbchen gekommen sind?
IVAN PERICOLI und BENOÎT ASTIER DE VILLATTE
Wir hatten längere Zeit schon den Wunsch, eigene Räucherstäbchen herzustellen. Wir schauten uns um, aber es gab nirgendwo einen Hersteller, dessen Produkte uns wirklich gut gefielen. Wir erfuhren von einem kleinen Unternehmen in Paris, aber als wir dort ankamen, sprach niemand Französisch, auch kein Englisch. Ausschließlich Japanisch. Aber irgendwie wurden wir an eine Handelsgesellschaft in Japan vermittelt. Man trat uns recht reserviert entgegen, offenbar waren wir in deren Augen als Unternehmen zu klein. Durch Hartnäckigkeit landeten wir aber schließlich bei dem Hersteller, einer Manufaktur auf einer abgelegenen Insel, wo diese Räucherstäbchen auch heute noch für uns hergestellt werden. Übrigens in Handarbeit. Und die Geschichte dieses Unternehmens dort ist sehr interessant. Ich würde sagen: sie passt zu uns, sie ist literarisch. Eine gute Geschichte: Denn die Leute auf dieser Insel waren früher sehr arm. So arm, dass sie vom Sammeln des Treibholzes leben mussten. Und irgendwann wurde dort am Strand ein Stamm Sandelholz angeschwemmt — vielleicht von den Fidji-Inseln? Wer weiß. Auf jeden Fall merkten die Feuerholzsammler, dass es sich um ein besonderes Holz handelte. Es duftete. Und damit begann, langsam, allmählich, die Duftstäbchenproduktion auf dieser Insel, die es dort — mehr oder weniger unverändert — bis heute noch gibt. Immer wenn wir uns ein neues Räucherstäbchen ausgedacht haben, reisen wir mit den Duftproben auf diese Insel, um sie in Auftrag zu geben. Es gibt dort beispielsweise einen Raum, in dem wird der Räucherteig, aus dem die Stäbchen gerollt werden, getrocknet. Ohne Maschinen, es ist ein Raum, der ringsum von Fensterläden umgeben wird. Mit den Lamellen in diesen Fensterläden wird dann die Zugluft reguliert… Es gibt hunderte solcher Geschichten zu unseren Produkten. Wir lieben die Handarbeit!
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