Frank Leder im Gespräch

Frank Leders Kosmetiklinie TRADITION ist eigentlich gar keine Kosmetiklinie – sagt Frank Leder. Aha, na was denn dann? Ein Hausbesuch

Das berühmte Atelier des Modeschöpfers befindet sich auf der dritten Etage eines Gründerzeitgebäudes im Westen Berlins. In Berlin, könnte man sogar sagen, ist das Atelier des Modeschöpfers Frank Leder noch bekannter als er selbst. Das Atelier war bereits Gegenstand des einflußreichen und beliebten Wohn-Blogs Freunde von Freunden. Wer aber Frank Leder ist, was er in seinem berühmten Atelier so macht und – stets beliebte Frage: Wo es seine in Berlin gänzlich unbekannte Mode zu kaufen gibt, weiß so gut wie niemand. Vom Wohn-Blog her weiß der Besucher aber, was da in dem berühmten Atelier auf ihn zu kommen wird, und so ist es dann halt auch in Wirklichkeit: Die großen Räume sind durchgehend gestaltet, das Arrangement besteht aus alten und neuen Koch- und Laborgerätschaften, Steingut, Stoffrollen, Möbelstücken, Gerahmtem und Vitrinen. Erfreulicherweise sind sämtliche Oberflächen vollkommen staubfrei. Einflüsse aus den naturwissenschaftlichen Sammlungen an Schulen und Museen sind fühlbar, der Rückzugsort eines Privatgelehrten wird hier nachgestellt, eventuell sind es sogar Brüder (ähnlich den symbiotisch lebenden Pflanzenforschern in den Marmorklippen von Ernst Jünger.) Denn es ist eine eigene Welt – präzise: Ein Kosmos, den Frank Leder sich hier inmitten der Stadt eingerichtet hat. Und es scheint nicht nur so, er legt keinen Wert darauf, an seinem Arbeitsplatz noch etwas von der Außenwelt mitzubekommen. Die Fenster zum Hof und zur Schnellstraße vor der Tür sind hofseitig durch Einweckgläser, gefüllt mit Obst und Gemüse verstellt, in den vorderen Räumen dominiert heute eine improvisiert empor gemauerte Wand die Szenerie. Mit dem Fotographen Gregor Hohenberg hat Frank Leder die Flucht von der Burg Colditz inszeniert. Freilich nicht einfach so, sondern als Teil seiner Kampagne. Die Flucht aus dem ausbruchssichersten Strafgefängnis der Nazis ist z.B. eines seiner Themen oder die handwerkliche Walz.
Das klingt jetzt alles weit hergeholt und im Grunde auch unnötig, um die Kosmetikserie eines Modeschöpfers vorzustellen, den in Berlin kaum jemand kennt. Aber dann sitzt man Frank Leder an seinem Tisch gegenüber, jenem Tisch, der durch den Wohn-Blog angeblich bekannter geworden ist als er selbst und Frank Leder, der gerade mal Vierzigjährige, Franke natürlich, nimmt einen Schluck fränkisches Bier aus einem, natürlich, uralten Steingutkrug und sagt: Für mich ist das ja gar keine Kosmetikserie.

Es geht um die hübschen Flaschen aus braunem Glas mit den hübschen Schraubdeckeln aus rot und schwarz gestromtem Bakelit, einem Werkstoff also, den es bereits nicht mehr gab, als Frank Leder in Nürnberg geboren wurde. Und trotzdem ist und bleibt Nostalgie ein fremdes Wort. Nein, damit kann er nichts anfangen und hat folglich auch nichts damit zu tun. Auch nicht mit Manufactum, natürlich nicht, aber: Daß Manufactum dieses Feld beackert ist nicht mein Fehler, sagt Frank Leder. Aber ich fahre ja mit ganz anderen Maschinen auf diesem Feld. Es wird wahrscheinlich nie eine Steinpilzhandcreme bei Manufactum stehen. Trotzdem gibt es bei mir ein altes Rezept wie eben das für mein Biershampoo, daß es höchstwahrscheinlich genau so auch bei Manufactum gibt – aber dort eben ganz anders funktioniert. Da geht es, wie stets in der Mode – um den Kontext. Selbst wenn es vermeintlicherweise nur um eine Handcreme geht. Und deshalb muß man bei Frank Leder eben doch etwas weiter ausholen – um es mit seinen Worten zu sagen: Das Feld, das Herr Leder beackert ist eben leider weit. Für einen Überblick sei dem Leser hier das Bilderarchiv seiner Webseite anempfohlen – es reicht aus den Anfängen Leders bis in die Gegenwart und zeigt seine Mode in den Milieus von Freiburger Corpsstudenten, Wilderern, Zinkern, Vagabunden und – dem mythischen Metzger des Hinterlandes.

Frank Leder redet nicht viel, aber er ist ganz und gar kein verschlossener Mensch. Das hat er mit den Leuten gemeinsam, die beruflich viel schreiben oder Malen und sich lieber dort ausdrücken, als im Gespräch. Tatsächlich, so stellt sich das bei halber Füllung der Steinkrüge heraus, denkt, plant und arbeitet Frank Leder am ehesten mit einem Schriftsteller vergleichbar. Er nähert sich seinen Modekollektionen über Stoffsammlungen zu Typen, Landschaften und Berufen. Und er fertigt keine Zeichnungen an, sondern schreibt seine Kollektionen auf.
Es gibt überhaupt keine Zeichnungen, sagt er. Es gibt nur technische Zeichnungen, die meine Mitarbeiter anfertigen. Die technische Zeichnung zeigt demjenigen, der das Kleidungsstück näht, wie es gemacht werden soll. Aber ich bin kein Freund der künstlerischen Modezeichnung. Damit läßt sich, meiner Meinung nach, nichts transportieren. Mir geht es darum, meine Ideen optimal zu vermitteln. Vor allem, daß ich hinterher noch genau weiß, was meine Idee eigentlich war. Da geht es um eine Erinnerungsstütze für mich persönlich – alles andere wird in der technischen Zeichnung ausgedrückt.

Dieser erzählerische Ansatz ist nicht bloß originell, im Gespräch mit Frank Leder wird fühlbar, daß es für ihn gar nicht anders geht. Vor der Colditzer Gefängnismauer in seinem Studio ist zudem eine Vitrine aufgestellt, hinter deren Glasscheiben eine Menge Roßhaar zu einer Woge aufgeschichtet wurde. Wozu oder warum, bleibt ungefragt.
Frank Leder ist Künstler. Mit dem glänzenden Geschäftsmann, der er zudem sein muß, da er seit 2003 sehr erfolgreich in Japan verkauft, werden seine Besucher dankenswerterweise verschont. Das ist in der Modebranche leider zur Seltenheit geworden, da Designer mittlerweile flüssig über eine Rücknahme der Kollektionskomplexität und Fragen zur Vertriebsstruktur sprechen können, aber über die eigene Ideenwelt eher schlecht.
Ich warte hier und ich bin da und ich arbeite, sagt Frank Leder. Wenn es Leute gibt, die Interesse an schönen Dingen haben, dann kommen die schon irgendwann. Dann rufen die an, oder schreiben eine EMail. Wir verkaufen in 12 Ländern. Was wirklich erstaunlich ist, denn Frank Leder benutzt für seinen Schriftzug Frakturbuchstaben, die Kollektionsthemen wie Der Metzger Des Hinterlandes oder bald nun: Flucht von der Burg Colditz entsprechen ganz und gar nicht dem Stylebook der Modebranche. Der Erklärungsbedarf ist überall da, sagt Frank Leder. Und, um wieder auf seine Kosmetikserie, die gar keine Kosmetikserie sein soll, zurückzukommen: Alles soll komplett erratisch sein.
Sagt er. Und meint eventuell zugleich poetisch. Meine Mode ist bereits da, sagt Frank Leder, aber in Deutschland ist sie nicht wirklich greifbar. Die zentralen Ideen meiner Arbeit wollte ich deswegen noch einmal in anderer Form auftauchen lassen. In der Form von Produkten, mit meinen Vorstellungen von Wertigkeit, und auch wie den Seiten eines Bilderbuches entsprungen (Frank Leder bekennt sich, bis heute unter dem Einfluß des Kleinen Wassermannes von Otfried Preußler zu stehen.)

Der illustrative Ansatz erstreckt sich bei ihm nicht allein auf die hübschen Zeichnungen auf den Umverpackungen – das gesamte Produkt ist für Frank Leder eine dreidimensionales Modell seiner Ideenwelt. Die Praktikabilität ist für ihn dabei zweitrangig, Schönheit obsiegt.
Ich hätte mich auch für simple Flaschen entscheiden können, sagt Frank Leder. Aber ich wollte die ganzen kleinen Wegpunkte, die in meiner Arbeit als Modedesigner eine Rolle spielten, visualisieren und den Kunden eine preiswerte Möglichkeit zu bieten haben, mit diesen Produkten einen Teil meiner ästhetischen Welt einkaufen zu können. Bei meinen Kollektionen wäre das nicht sinnvoll (nur ein paar Teile anzukaufen.) Ich arbeite erzählerisch und da braucht man dann schon die ganze Bandbreite, um meine Geschichten zu verstehen. Die Ideen für die Konsistenzen und Düfte stammen komplett von mir. Beim Roten Preßsack habe ich beispielsweise zuerst an den Metzger und das Fleisch gedacht. Das war zu jener Zeit auch das Thema für eine meiner Kollektionen, die hieß Der Metzger Des Hinterlandes und damals hatte ich bereits diese Kollektion im Sinn. Und genau so wollte ich dieses Bild von diesem Metzger umsetzen als Kosmetikprodukt. Mich haben die Inhaltsstoffe von Würsten schon immer fasziniert: von Weißem Pfeffer bis zum Kümmel und Majoran sind zum Beispiel im Roten Preßsack viele Gewürze als Duftstoffe enthalten; zunächst wollte ich daraus eine Seife machen, die wie eine Wurst geformt werden sollte. Davon gibts sogar Prototypen, aber das Endprodukt konnte mich nicht überzeugen. An der Idee einer Seife wollte ich dennoch festhalten – deshalb gibt es die jetzt in flüssiger Form. Ich war schon früher mit meinen Eltern immer zum Holunderblütensammeln, weil wir die in Pfannkuchen ausgebacken haben. Den Saft gab es von der Oma. Deshalb gibt es von mir ein Duschgel mit dem Duft von Holunderblütensirup – und nicht etwa, weil die Leute es vom sogenannten Hugo, dem Mischgetränk mit dem Sirup her kennen. Ich würde nie etwas machen, bloß weil es trendy ist, oder weil die Leute es angeblich gerne haben wollen. Alles muß geboren werden aus mir heraus.

Daß die Handcremes Meisterwurz&Honig und Steinpilz aus der Serie Tradition eben genau so riechen, und das bei Handcremes eher ungewöhnlich ist, irritiert nicht so sehr, wie das eigentümliche, ja: unpraktische Format der Verpackung. Eine Glasflasche mit Schraubverschluß – leider nur begrenzt Handtaschentauglich.
Dazu sagt Frank Leder: Daß die Produkte in Glasflaschen gefüllt würden, war von vorneherein klar. Plastik ist ein Material, das mir nicht gefällt. Die praktischen Vorteile leuchten mir ein, aber ich bin an anderem interessiert. Und ums Kommerzielle geht es mir in erster Linie gar nicht. Mir ist das Wichtigste, daß ich ein Produkt erschaffe, das zu hundert Prozent nach meinen Vorstellungen funktioniert. Meine Handcremes sind übrigens auch für die Gesichtshaut geeignet.
Die qualitativen Ansprüche Frank Leders sind extrem hoch – was einen Teil der Erfolgsgeschichte seiner Mode erklärt. Für die Un-Kosmetikserie Tradition hat er die Mindestanforderungen nicht weniger hoch angesetzt, und ist von seinen Einfällen und Ideen auch im Laufe der zweijährigen Forschungs- und Entwicklungsarbeit nicht einen Deut abgerückt. Wie ist er auf eine Zusammenarbeit mit jenem Käse- und Kosmetikproduzenten des Hinterlandes von Bregenz, den legendären Ingo Metzler gekommen, der schon die Naturkosmetik von Susanne Kaufmann herstellt?
Von Ingo habe ich durch einen Artikel erfahren, in dem noch nicht einmal von seiner Arbeit für Susanne Kaufmann die Rede war. Dessen größter Vorteil ist, daß er gerne experimentiert, beziehungsweise: überhaupt dazu bereit ist. Das habe ich nirgendwo sonst vorgefunden. Daß er die Kosmetik für Susanne Kaufmann entwickelt, war mir egal. Eigentlich macht er Käse, allerhand Molkereiprodukte – wenn das jetzt ein Spezialist wäre, ich weiß nicht, ob der dann für mich in Frage gekommen wäre. Mir gehts prinzipiell um die Leute, mit denen ich arbeite. Um die Nähe. Mit einem großen Hersteller hätte ich einfach nur die Idee verkauft und weggegeben. Das würde mir viel zu profan. So mache ich es mit meiner Mode ja auch nicht. Als ich zum ersten Mal in den Bregenzer Wald geflogen bin, hatte ich konkrete Ideen dabei für die Produkte, die ich machen wollte. Ihn habe ich gefragt, wie die umzusetzen waren. Dann haben wir uns darüber ausgetauscht, ich bin dann nochmals hingeflogen – daraus ist ein Prozeß entstanden, innerhalb dessen wir allmählich alles entwickelt haben. Das hat alles sehr lange gedauert. Ingo meint, ich bin sein schwierigster Kunde. Gerade für die neuen Produkte Oberprima und Untertertia war die Entwicklungsarbeit doch sehr lang. Da ging es um ein Gemisch von zwei Flüssigkeiten unterschiedlicher Viskosität und das hat nie so geklappt, wie ich mir das vorgestellt, oder: gewünscht hatte. Einmal war der Badezusatz zu ölig, dann wieder stimmte die Farbigkeit nicht, und es muß eben stimmig sein. Das ist mit den Vorgängen bei der Bekleidungsherstellung vergleichbar, da geht es ebenfalls hin und her, bis alles stimmt. Plus Geruch, plus Farbe in dem Fall – da muß eine ganze Menge zusammenkommen, bis es perfekt ist. Bei meinem Badezusatz Deutsche Eiche beispielsweise hatte ich die Vorstellung, daß dort am Boden der Glasflasche ein Nebel sein wird, ein richtig wallender nebel, der das Blatt des in den Zusatz eingelegten Eichenlaubs umgibt – wie in meiner Vorstellung des Idylls vom Deutschen Wald eben. Da gab es dann sehr viele Versuche, diese Phantasie in ein kosmetisches Produkt – na ja, weniger zu übersetzen, als: zu bannen. Und da ist Ingo mitgegangen. Im Bregenzer Wald gab es keine Eichen, also ist er für die Versuchsreihen mit einer Leiter bis an den Bodensee gefahren, um geeignetes Laub einzusammeln. Ich habe da eine Experimentier- oder auch Spielfreude vorgefunden, so daß ich in Zukunft auch gar keine andere Firma hinzuziehen möchte. Der Unterschied liegt meiner Meinung nach im Spaß an der Sache. Wahrscheinlich gibt es Menschen, die haben keine Zeit, um zu experimentieren, andere keine Lust – ich weiß es nicht. Deswegen fahre ich ja auch prinzipiell selbst zu meinen Zulieferern: weil ich meine Ideen selbst erklären und vermitteln will. Am Telefon bekomme ich die falsche Vorstellung von den Leuten. Ich will die sehen.

Dennoch wird es Menschen geben, die Frank Leders Un-Kosmetikserie benutzen wollen – da gibt es zweierlei zu beachten: Die Flaschen dürfen nicht runterfallen! Sonst bricht entweder der Deckel (Bakelit ist ein früher Kunststoff aus einem Molkereinebenprodukt), oder die ganze Flasche zerspringt. Traut sich nicht jeder.
Aber Frank Leder? Ich traue mich alles, sagt er. Bakelit ist ein Werkstoff, der mich begeistert. Ich habe die Wahl getroffen für ein Material, das lebt – leider auch zerbricht. Ich könnte es mir leicht machen und im Großhandel Plastikschraubdeckel in rot oder schwarz beschaffen. Oder ich begebe mich auf die lange Suche nach jemandem, der mir die aus Bakelit machen kann. Und der natürlich auch Lust darauf hat, die für mich zu machen. Komplett konsequent wäre es gewesen, dazu noch die Flaschen blasen zu lassen. Aber irgendwann artet es aus.
Ja. Stimmt. Schade eigentlich.

Könnte noch ewig so weitergehen, aber dann würde halt der Artikel zu lang.

 

Die Frank Leder Serie im Onlineshop Zurück zu den Themen


Sie haben Fragen? Sprechen Sie mit uns.

MDC anrufen Video Beratung buchen

 

MDC cosmetic
Knaackstraße 26, 10405 Berlin
Mo–Sa 10:00–20:00 Uhr
Kontakt
+49 30 40 056 339
mail@mdc-cosmetic.com

Oder schreiben Sie uns eine Nachricht.