Philipp Herdeg – Bayerischer Hof München

Das Gespräch mit Philipp Herdeg habe ich vor wenigen Wochen in München geführt, damals war noch nicht abzusehen, dass es bald schon wieder zu einem Lockdown kommen würde. Herr Herdeg ist der Kommunikationsdirektor des Bayerischen Hofes, in dem auch meine Filiale von Santa Maria Novella untergebracht ist. Aber nicht nur. Der Hof ist eine in Deutschland einzigartige Institution, mitten in der Großstadt München gelegen, und von ihrer Bedeutung für das dortige Gesellschaftsleben sehr viel mehr als ein Hotel. Als ich ihn zu Beginn des zweiten Lockdowns mit den bekannten Einschränkungen für Restaurants und Hotellerie gefragt habe, ob er seinen Gedanken noch etwas hinzuzufügen hat, meinte er mit dem ihm eigenen, lapidaren Humor etwas in der Art von «Es ist jetzt eh schon beinahe egal, nach diesem Jahr.»

Von daher gehen wir jetzt aus dem Jetzt ein wenig zurück in eine Zeit kurz nach dem ersten Lockdown im Frühjahr 2020 …

Lieber Philipp, wie haben sich die Maßnahmen infolge der weltweite Pandemie auf die Situation des Bayerischen Hofes ausgewirkt?

Das Gute an diesem Haus ist, dass es sich in Privateigentum befindet. Wirtschaftlich steht das Unternehmen auch deshalb so gut da, weil schon zu des Vaters Zeiten nur mit Eigenkapital gewirtschaftet wurde. Es gibt keine Kredite, die zurückzuzahlen wären. Seit vielen Jahren wurden 25 % vom Gewinn zurückgestellt für Krisenzeiten — für solche, hätte ich jetzt beinahe gesagt, aber das, was wir jetzt erleben, hat ja niemand ahnen können. Aktuell stehen wir jedenfalls bei 26 Millionen Umsatzverlust. Der Palais-Keller, in dem wir hier sitzen, hat zwar noch geöffnet, aber ist nicht Kostendeckend. Wenn ich mir jetzt aber hier in München die Mitbewerber anschaue: Die meisten haben ein Mietobjekt und eine sehr hohe monatliche Belastung. Viele hatten monatelang geschlossen und müssen dieser Belastung trotz Schließung nachkommen. Und das geht alles von einem Gewinn ab, der in den Sternen steht. München bleibt attraktiv, man kann in München viel machen, aber um sich München leisten zu können, muss man, über einen längeren Zeitraum genommen, wirtschaftlich gut ausgestattet sein. Unser Haus wird das auf jeden Fall schaffen. Schmerzen tut es trotzdem. Und für Frau Volkhardt gibt es vermutlich nichts schlimmeres, als die Mitarbeiter in Kurzarbeit halten zu müssen. Sie macht einen monatlichen Zoom-Call für alle Mitarbeiter. Da wird es sehr emotional. Es ist halt ein Familienunternehmen.

Wie hast Du den ersten Lockdown erlebt?

Traurig, eigentlich war es katatrophal. Ich bin damals am dreizehnten März aus den Vereinigten Staaten zurückgekehrt. Ich war dort auf Geschäftsreise in Los Angeles und in San Francisco und bin mit dem allerletztmöglichen Flug zurück nach Europa gekommen. Am selben Abend wurde das Einreiseverbot in die USA verhängt. In diesem Frühjahr war das meine zweite Reise nach Californien, im Februar war ich mit Frau Volkhardt dort gewesen. Zur Oscar-Verleihung hatten wir einen Empfang im Beverly Hills Hotel veranstaltet. Der amerikanische Markt ist für uns sehr wichtig. In dieser Zeit war es in Europa schon so, dass Events abgesagt wurden, in Amerika hingegen war Corona noch kein Begriff. Das hatte sich im März dann drastisch geändert. In San Francisco waren eigentlich bloß noch die Obdachlosen auf den Straßen unterwegs. Als ich dann am 14. März, einem Samstagabend in München gelandet bin, wurde hier die Bundesliga abgesagt und in den Vereinigten Staaten drüben die NFL. Da war mir klar, dass wir es mit einem größeren Thema zu tun bekommen. In der Nacht von Sonntag auf Montag hat mir ein Freund geschrieben, dass Californien zum Risikogebiet erklärt wurde.

Am Montagmorgen habe ich mit Frau Volkhardt telefoniert, die mir geraten hat, von zuhause aus zu arbeiten. Diese zwei Wochen Quarantäne habe ich genossen, weil mir ein unglaublich effektives Arbeiten möglich war. Und als ich danach wieder in den Hof kam, war es wirklich schrecklich. Alles war heruntergefahren, alles geschlossen. Bis auf das Hotel natürlich, aber dort durften wir ja bloß noch Geschäftsreisende begrüßen und keine Touristen mehr. Und es gab keine Geschäftsreisenden mehr. Drei Zimmer waren belegt. Von 700 Mitarbeitern waren noch 20 im Haus. Die Restaurants und der Night Club, das Kino waren geschlossen. Wenn man den Bayerischen Hof kannte, war das extrem traurig. Das hatte es zuvor bloß ein einziges Mal gegeben: im Zweiten Weltkrieg. Von daher: ein schlimmes Gefühl. Alles war irreal geworden und man wusste nicht, was hier gerade passiert.

Wie ist denn Eure Vision, wie es in den kommenden Monaten weitergehen wird? 

Das weiß allein die Glaskugel. Wir bauen schon einmal nicht auf das nächste Jahr. Wir sind in unserer Planung eher in 2022/ 23. Aber selbst das… Man weiß es einfach nicht. Persönlich bin ich auch nicht der Meinung, dass ein Impfstoff allein genügen wird, um eine Normalität herzustellen. Und das ist natürlich auch etwas traurig. Unser Kino beispielsweise ist eh klein, es hat 38 Sitzplätze, und das wurde jetzt zugelassen für elf Zuschauer. Da lohnt sich wirklich nicht mehr. Davon abgesehen, dass es derzeit so gut wie keine Filme mehr gibt. Und daran hängt leider viel: Wir wollten dann unsere Falk’s Bar im historischen Spiegelsaal öffnen, damit auch das davor gelegene Atrium, den Kiosk — das ist jetzt alles zurückgestellt und bleibt geschlossen.

Hat es in den Jahren und Jahrzehnten zuvor jemals ein Gedankenspiel gegeben, was mit dem Hotel passieren würde, falls eine weltweite Katastrophe wie diese Pandemie zum Fall wird?

Es gab gewisse Katastrophenpläne. Die sind 2016 nach dem Amoklauf auf das Olympia-Einkaufszentrum aktualisiert worden. Aber für eine Pandemie gab es keinen Plan. Im März und auch noch im April sah es ja noch nach einer Betriebsschließung aus. Die Frage war dann, ob wir darauf überhaupt vorbereitet sind, was das zu bedeuten hatte. Haben die Mitarbeiter, die von zuhause aus arbeiten sollen, ausreichend Laptops? All diese Dinge. Hygienepläne gab es schon, sie mussten aber angepasst werden. Das Mühsame in den ersten Wochen war dann der Hochdruck, unter dem all dies zum Funktionieren gebracht werden musste.

Ward Ihr dabei auf Euch gestellt, oder gab es Hilfen von der Landesregierung oder von der Stadt?

Eher nicht. Von der Stadt gab es nur ganz wenig bis nichts. Wenn überhaupt Hilfe, dann vom Staat. Aber vom Oberbürgermeister haben wir alle zum ersten Mal wieder etwas gehört, als er das Oktoberfest abgesagt hat. Nein, wir waren auf uns allein gestellt und die Organisationsstruktur des Hauses hat sich damit bewährt. Frau Volkhardt hat ja seit ihrer Übernahme des Betriebes in den neunziger Jahren nicht bloß fast 200 Millionen Euro aus dem Privatbvermögen investiert, sondern auch die Organisationsstruktur wesentlich verändert. Jeder Bereich hat heute einen leitenden Angestellten, der als Direktor an Sie berichtet. Das ist ihre Innovation, unter ihrem Vater gab es nur ihn selbst und dazu zwei Angestellte, die über alles im Haus Bescheid wussten.

Der Bayerische Hof unterscheidet sich zudem von einem Grand Hotel, weil hier die Bürger Zugang haben. Man muss kein Hotelgast sein, um die Einrichtungen des Hauses nutzen zu können, das gehört im Gesellschaftsleben der Stadt einfach dazu. 

Wir sind eine Münchner Institution. Deshalb haben wir auch ein Spa mit Dachterrasse, fünf Restaurants und sechs Bars, ein Night Club, ein Kino und ein Theater, das uns zwar gehört, aber nicht von uns selbst betrieben wird. Allein mit Hotelgästen könnten wir all das nicht füllen. Es war immer schon gewünscht, dass die Münchner bei uns zu Gast sind. Dass der Bayerische Hof zu München gehört wie der Marienplatz.

Dazu gehören die Läden im Erdgeschoss. 

Für die Kultur unseres Hauses sind sie extrem wichtig. Für die Bürger sowieso, aber auch für den Hotelgast. Das Prinzip des Hauses, unser Motto lautet «Eine Welt für sich». Der Gast soll bei uns wohnen und München schon bei uns im Haus kennenlernen. Durch die Gastronomie, aber auch mit unseren Galerien und Läden. Er braucht das Haus nicht zu verlassen.

Kanntest Du Santa Maria Novella schon?

Nein, ich kannte die Marke nicht. Aber ich wurde, kaum dass ihr hier eingezogen ward, von einer Freundin des Hauses kontaktiert, die sich sehr gefreut hat, weil sie jetzt nicht mehr nach Florenz fahren muss, um ihre Produkte einzukaufen.

Auch nach der Eröffnung gab es noch oft Kunden, denen es eine Selbstverständlichkeit bedeutete, dass es im Bayerischen Hof eine Filiale von Santa Maria Novella gibt. Anscheinend hat sich da etwas glücklich gefügt. Darauf können wir aufbauen. Worin besteht denn heutzutage Eure Gästemischung?

Wir sind ein international ausgerichtetes Hotel für Business und Lifestyle. Seit dem Ausbau des Blue Spa in der Gestaltung von André Putman sprechen wir auch wieder eine jüngere Zielgruppe an. Und natürlich auch jetzt wieder durch unsere Projekte mit Axel Vervoordt, der für uns gerade die Veranstaltungsräumlichkeiten im Palais Montgelas neu gestaltet hat. Dies ist bereits sein siebtes Projekt für das Hotel. Die Gäste kommen aus Deutschland, aus den Vereinigten Staaten, aus Groß Britannien, Russland und aus dem Mittleren Osten.

Keine Asiaten?

Schwierig. Wir waren gerade dabei die nötigen Verbindungen zu diesen Märkten aufzubauen.

Eigentlich ist doch Bayern das Traumdeutschland für Asiaten.

Prinzipiell schon. Früher ging es hauptsächlich um München. Da wurde zwar auf der Maximilianstraße eingekauft, aber geschlafen wurde in Pensionen. Essen so ähnlich, alles low budget. Das verändert sich, auch hier kommt eine jüngere Generation nach und die legen wie überall Wert auf schönes Wohnen und besseres Essengehen. Allerdings ist es nicht einfach, sich auf diesem Markt zu positionieren. Wenn ich in China die Adresse Bayerischer Hof in meine Suchzeile eingebe, kommt nämlich: nichts. Das heißt, es kommt dann schon etwas an, aber erst nach dreißig, vierzig Sekunden, wenn sie komplett durch die Filter gelaufen ist. Und so lange wartet niemand mehr. In China gibt es Social Media, ähnlich wie bei uns Instagram oder Facebook, um die sich sehr viel dreht. Aber ich kann nicht von Deutschland aus einen Account für den Bayerischen Hof erstellen. Es ist alles — kompliziert, und mit sehr viel Geld verbunden.

Wie steht es um den Glamour von München? In Kir Royal spielte ja noch beinahe jede Folge im Bayerischen Hof. 

Diese Zeit gibt es nicht mehr, aber ein bisschen Glamour hat München noch immer. Geld ist ja in der Stadt vorhanden. Und alljährlich gibt es den Filmball. Die Branche kommt gern in unser Haus, man trifft sich an der Falk’s Bar. Aber klar, die Filmbälle früher, die ich noch mitbekommen habe, waren spektakulär. Da ging es später in den Palais-Keller hinunter und hier ging die Party erst los. Das fehlt heute. Liegt aber vielleicht auch an den Social Media: Die Feste sind ja weiterhin prächtig und toll, aber es ist insgesamt sehr ruhig und sanft geworden.

Die wilden Exzesse existieren aber auf den Fotos vom Fest.

Genau, die werden dann inszeniert. Es lässt sich ja niemand mehr in der Gegenwart von hunderten, mit Foto-Handys bewaffneten Anderen gehen. Es gibt ja immer sofort ein Video, sofort ein Bild online, das man nicht veröffentlicht sehen möchte.

Nehmen die Leute eigentlich immer noch viel mit aus den Zimmern?

Ach ja, natürlich. Der mitgenommene Bademantel ist ein Klassiker. Aber auch die sogenannten Amenitys, also kleine Fläschchen mit Shampoo und Duschgel, die Seifen… Wirklich alles, was nicht verankert ist.

Warum machen die Leute das?

Gute Frage. Ich kann es mir absolut nicht vorstellen. Mir wäre es ja schon zu anstrengend, die Sachen hinauszutragen. Ich bekomme aber meinen Koffer auch so schon nie zu. Da passt gar nichts mehr ‚rein!

Werden die Leute auch in flagranti erwischt, oder fällt das erst später beim Abrechnen auf?

Spätestens bei der Inventur wird der Verlust gemerkt 😉

 

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