Russell Harris – Artist

Mit Russell Harris, dessen schmückende Federn aus Leder ich seit kurzem bei MDC cosmetic und Next door anbieten darf, habe ich mich im traditionellen Journalistentreff «Zwiebelfisch» am Savignyplatz getroffen. Russel arbeitet derzeit dort ganz in der Nähe im Atelier von AA Bronson, dem er schon bei seiner Installation «Garten der Lüste» in den Kunstwerken bei der Produktion der extrem elaborierten Zelte und Flickendecken assistiert hatte. Im Moment ist er dort täglich mit sieben Schneidern tätig, um ein noch ausladenderes Textilkunstwerk nach den Plänen des Großkünstlers Bronson aus der Traufe zu heben.

Lieber Russell, Du stammst aus England — wo genau bist Du dort aufgewachsen?

Im Südosten der Insel, an der Küste — die Grafschaft Kent, zumindest Dover dürfte bekannt sein. Das Marschland dort in der Gegend von Bromley ist meine Herkunftslandschaft. 

Also sehr ländlich?

Ich bin von ganzem Herzen Country Boy.

Man hat dann ja sehr viel Zeit für sich und für die eigenen Ideen — Ich kenne das gut, denn ich bin selbst auch auf dem Land aufgewachsen. 

Ja. Wobei ich dazu sagen muss, dass ich eine sehr vielfältige und reichhaltige Kindheit verleben durfte. Mit Theaterspiel und Ausflügen in die Stadt, wo es mir schon früh sehr gefallen hat.  

Gab es denn in Deiner Familie zuvor auch schon Künstler — oder zumindest Kunsthandwerker?

In einem gewissen Sinne ja, allerdings nicht auf diese ausgesprochene oder übliche Weise, dass mein Vater ein Kunstmaler gewesen war; oder meine Mutter eine Bildhauerin…

…oder Schneiderin?

Ja, aber nein: nichts in dieser Art. Aber ich komme aus einer Familie von Machern. Etwas zu machen, etwas herzustellen, das war immer ein starkes Motiv bei uns zuhause. Meine Mutter war Frisörin, sie hatte den Beruf auf einem recht hohen Niveau in London erlernt und hatte also geschickte Hände. Mein Vater wiederum war einfach gerne handwerklich tätig. In seinem Schuppen hat er viel mit Holz gearbeitet. In meiner Grundschulzeit sollten wir in einer Keksdose eine kleine Landschaft modellieren. Das wurde dann unser erstes gemeinsames Projekt. Andere Kinder hatten Lego und ähnlich vorfabriziertes Spielzeug. Bei uns wurde gewerkelt. Meine Schwester und ich haben oft zu den Geburtstag Materialien geschenkt bekommen, mit denen wir dann etwas anfangen konnten. Für uns war das Spielen. 

Hast Du dich dann für ein Kunststudium entschieden?

Ich hatte ja schon mein Theaterspiel erwähnt. Das habe ich meine Kindheit hindurch intensiv betrieben. Ich hatte auch eine Agentur uns so weiter.

Warst Du ein Kinderdarsteller?

Ja. Als Sänger und Schauspieler. Ich war in der TV-Werbung zu sehen.  

Aha — etwas, das wir kennen könnten?

Gut möglich, aber…

Haferflocken?

Recht warm.

Milch!

Auch sehr warm…

Butter; Käse — Warst Du der Wensleydale Boy?

Ich werde es nicht preisgeben. Das gehört zu meiner Vergangenheit. Und ich bin dann vor allem in ein Alter gekommen, ich war 15 Jahre alt, da hörte das alles auch mit einem Mal wieder auf. Schlagartig. 

Oje. Ich ahne es… Du bist in den Stimmbruch gekommen!

Genau. Leider war es genau wie in dem Klischee vom Kinderstar: Ich war zu alt geworden. Ich war nicht mehr länger dieses engelsgleiche Kind mit goldigem Haar und güldenem Stimmchen. Es war unwiderruflich vorbei.

Bist Du in eine Krise geraten?

Absolut. Kein Publikum mehr, keine Aufmerksamkeit. Die Zeit, da mich jeder auf Anhieb liebgewinnen konnte, war wie weggeblasen. 

Plötzlich waren aus dem Film Deines Lebens alle Farben herausgedreht und alles wurde Schwarzweiß. 

Ja… aber in dieser Krise habe ich den zeitgenössischen Tanz für mich entdeckt. Mich hat vor allem fasziniert, dass man sich damit tiefgründiger ausdrücken konnte. Folglich habe ich dann ein Konservatorium, die Laban School of Dance in London besucht. Die Lehre geht zurück auf Rudolf von Laban, der als Choreograf und Theoretiker des modernen Tanzes berühmt wurde. In London habe ich Choreografie studiert und dort bin ich auch zum ersten Mal mit textilem Werken in Berührung gekommen: in der Bühnenschneiderei mit den Kostümen. 

Einfach so, oder hattest Du als Kind auch das Nähen gelernt?

Meine Mutter besaß eine Nähmaschine. Wir haben zusammen Quilts genäht, diese traditionellen Flickendecken. In meiner Zeit als Kinderdarsteller hat sie häufig die Kostüme angefertigt. Mein Vater übrigens auch — im Rahmen seiner Fertigkeiten, denn eine meiner ersten Rollen war die des Weißen Ritters in einer Aufführung von Alice im Wunderland. Mein Vater hat mir dafür die Rüstung geschmiedet. Aus Karosserieblech übrigens, er war ja in der Automobilindustrie tätig. Gut, also um auf Deine Frage zurückzukommen: Eine reguläre Ausbildung hatte ich nie; nur dass, was ich durch meine Familie mit auf den Weg bekommen hatte. Interessant finde ich an unserer Zeit, dass das allmählich keine Rolle mehr spielt, weil wir in eine Ära der Youtube-Tutorials hineingewachsen sind.

Ja! Jeder kann jetzt alles lernen! Auch die Mysterien des Lebens, wie zum Beispiel Autoreifen wechseln. Und für alles gibt es sogar eine Masterclass. 

Alles ist möglich geworden. Wobei ich sagen muss, dass London zu jener Zeit eine ähnliche Plattform war. Ich lernte interessante Menschen kennen. Mit einigen hat sich dann auch eine Zusammenarbeit ergeben, zum Beispiel mit Simon Costin, dem Bühnenbildner für die ersten Modenschauen von Alexander Mc Queen. Er war damals dabei, ein Museum für Volkskunst und Kultur der Hexen zu gründen. Ich fand das ansprechend und wollte ihm unbedingt dabei helfen. Aber das Meiste über das Nähen und Schneidern habe ich damals gelernt, weil ich für mich selbst sehr aufwändige Kostüme angefertigt habe, mit denen ich nachts in die Clubs ausgegangen bin. Ich tanze sehr gern!

Und wann hast Du dann mit den Federn aus Leder angefangen?

Das war im Jahr 2015. Im Juni war ich damals nach Berlin gezogen. Da war meine Mutter schon seit sieben Jahren an Krebs erkrankt und hatte den ersten Zyklus Ihrer Therapie überstanden. Ungefähr eine Woche nachdem ich hier angekommen war, rief sie mich an und sagte, dass die Krankheit zurückgekommen war und dass sie nicht noch eine Chemotherapie machen wird. Sie starb im September. In ihrem letzten Jahr war sie ziemlich spirituell geworden. In meiner Erinnerung hatte das mit einer Radiosendung zu tun, in der es um die Kontaktaufnahme mit Engeln gegangen war. Sie war sich in dieser Zeit auch sicher gewesen, dass ihre Mutter versuchte, ihrerseits Kontakt aufzunehmen. Federn wurden zu einem wichtigen Bestandteil ihrer Wandlung. Auf diesen Wanderungen hatte sie hier und da eine weiße Feder vom Rand ihres Spazierweges aufgelesen. Sie hat das dann jeweils als ein Zeichen von ihrer Mutter nehmen wollen. 

Aus welchem Grund hast Du dich für Leder als Material für Deine Federn entschieden?

Das kann ich heute nicht mehr sage. Ich habe mit diversen Materialien experimentiert. Und ich glaube, dass ich damals ohnehin an einem Kostüm gearbeitet habe, das auf eine ähnliche Weise aus Leder und Draht konstruiert wurde. Ich habe bis heute auch noch kein anderes Material gefunden, das ähnliche Eigenschaften hat. Leder ist für meine Zwecke ideal. Und es altert wunderschön. Um noch einmal von meiner Mutter zu sprechen: Ich habe eine meiner Federn in das Geäst des Baumes gehängt, unter dem wir ihre Asche verstreut haben. Sie hängt bis heute dort — im Regen, bei Sonne, bei Schnee — und wird nur immer noch schöner mit der Zeit.

Welches Leder bevorzugst Du?

Ich arbeite mit Ziegenleder. Früher hat man die schönsten Bücher darin eingebunden. Ich habe eine Schablone, mit der ich die Form auf die erste Lage zeichne. Dann schneide ich die Fransen von Hand ein. Dann klebe ich den Draht auf der Position des Kieles ein und lege die zweite Lage auf. 

Ist das ein Prozess, den Du über die Jahre optimiert hast?

Nein, auch die ersten waren schon so. Michael Howells, ein Bühnenbildner, der inzwischen leider auch verstorben ist, hat mich damals gebeten, meine Federn Karl Lagerfeld zeigen zu dürfen. Er hat dann 300 Federn bei mir bestellt.

Für ein Kleid von Chanel?

Nein, als Dekoration für einen Weihnachtsbaum in einem Hotel, dem Claridges in London, den er zu dieser Zeit gerade dekoriert hat.

 

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