Yael Nachshon Levin – FRAMED FESTIVAL

Melanie Dal Canton

Liebe Yael, erzähle uns doch bitte etwas von «Framed», dem Festival, dass du vom 19. bis zum 28. Juli im Wasserturm gegenüber von MDC veranstalten wirst.

YAEL NACHSHON LEVIN

Das Framed Festival ist ein weiterer Schritt im Rahmen des Framed-Projekts im Allgemeinen. Das Framed-Projekt gibt es, wie Melanie erzählt, nun schon seit sieben Jahren. Wir haben 84 Veranstaltungen gehabt.

Vierundachtzig!

Ja, genau.

Wie konnte ich das übersehen?

Vielleicht ändert sich das ja jetzt. Framed war von Anfang an immer eine Angelegenheit der Mund-zu-Mund-Propaganda. Die Idee für diese Abende war: Weltklasse Kunst von Weltklasse Künstlern in einem privaten, beinahe intimen Rahmen. Wir laden nie mehr als hundert Leute ein. Es ist öffentlich zugänglich aber sehr limitiert.

Weil der Veranstaltungsort sehr klein war?

Auch. Und ich habe nie etwas in Werbung investiert. Ich war sehr, wie soll ich sagen, damit beschäftigt, die eigentliche Sache optimal hinzubekommen.

Du kommst ja auch ursprünglich nicht aus der Veranstaltungsbranche.

Ich bin Musikerin. Ich singe. Und ich bin Schriftstellerin.  Hintergrund ist die Musik. Als ich neu ankam in Berlin, kannte ich hier niemanden.

Woher bist Du gekommen?

Aus Tel Aviv. Ich liebe Tel Aviv, aber ich könnte dort nicht mehr leben. Das Leben ist extrem teuer. Und die Leute verdienen natürlich nicht genug, um sich dieses teure Leben leisten zu können. Dazu geht der größte Teil des israelischen Haushalts für Militärisches drauf und es bliebt kaum noch etwas für die Kultur. Mein Mann ist auch Künstler. Dazu haben wir zwei Kinder. Es wurde unmöglich. Wie Du weiß, Melanie, wurde ich dann auch sehr krank. Ich hatte Krebs vor zehn Jahren. Das Leben stand irgendwie still. Damals dachten wir, dass wir für zwei, maximal drei Jahre nach Berlin gehen würden. Mein Mann hatte ja noch einen deutschen Pass. Wir dachten, wir erholen uns ein wenig in Berlin und dann gehen wir wieder zurück.

Aber dann habt ihr Wurzeln geschlagen.

So lange wir glücklich sind, bleiben wir einfach hier. Hier hat man Platz, es gibt Schönheit und Weite. Auch in den Wohnungen. Das hat mich anfänglich noch erstaunt, wie schön es hier immer wieder doch ist. Und ruhig. Tel Aviv ist super laut, eng und überfüllt. Und so kam ich auf die Idee mit den Veranstaltungen: Weil ich mein Glück in dieser Stadt mit anderen teilen wollte. Daraus ist der erste von den bislang 84 Framed-Abenden erwachsen.

Gibt es ein festes Konzept? Was erwartet die Besucher?

Es gibt immer eine Einzelausstellung einer Künstlerin oder eines Künstlers. Die mit den Werken behängten Wände des Raumes bilden dann den Rahmen für die Auftritte der Musiker. Und natürlich gibt es etwas zu essen, ein Buffet, dafür stellen wir alles selbst her. Schließlich komme ich aus Tel Aviv. Anfänglich habe ich einfach Leute aus der Nachbarschaft eingeladen. Mit der Zeit hat es sich herumgesprochen. Heute kommt ein bunt gemischtes Publikum, sämtliche Nationalitäten, alle Altersgruppen. Es ist ideal. Das Magische daran ist bis heute für mich geblieben, dass ich das alles nicht einmal im Ansatz so geplant hatte!

Wie bist Du auf den Wasserturm gekommen?

Zufall. Ich war einfach neugierig. Der Raum ist groß, rund, und mich erinnert er an ein Schiff. Und dann habe ich die sehr spezielle Akustik in diesem Schiffsbauch-Raum erlebt und wusste, das ist ein idealer Ort für das Festival, denn der natürlich Nachhall in diesem Raum ist einmalig. Das bedeutet aber auch, dass die Musiker sich damit auseinander setzen müssen, sonst verlieren sie gegen den Raum. Also ein perfekter Rahmen für das Festival namens Framed. Alle Musiker werden in Duetten spielen. Im Duett entfaltet der Nachhall des Raumes eine magnetische Energie. In der Mitte des Raumes ist eine Bühne und ich hatte spontan die Vision eines Lagerfeuers, um das sich ein Dorf versammelt hat, um Heilungszeremonien beizuwohnen oder etwas in der Art.

Klingt wirklich, ja, faszinierend.

Es wird sechs Konzerte geben. Für jede dieser Veranstaltungen geben wir einhundert Tickets zu je 20 Euro in den Verkauf. Ich muss dazu sagen, dass wie eine Non-Profit-Organisation sind. Wir haben einen Mäzenen, bezahlen unsere Künstler aber sehr gut. Wir bieten einen Pass an, der Zugang zu sämtlichen Veranstaltungen bietet — für 70 Euro. Das empfinde ich als einen fairen Preis.

Es wird ja auch ein Star auftreten, wie Du mir verraten hast.

Ja, Noga Erez. Wer sie noch nicht kennt, wird sie dort endlich kennenlernen. Sie hat ein großes Potenzial. Und sie an diesem besonderen Ort mit nur hundert anderen erleben zu dürfen, wird sich voraussichtlich nicht mehr wiederholen lassen.

Wir haben im Deutschen ein Sprichwort, das heißt Reisen bildet.  Was würdest Du sagen, hast Du über uns Deutsche hier gelernt?

Die Mutter meines Mannes ist Deutsche, wurde aber nicht in Deutschland geboren. Ihre Eltern waren aus Hamburg geflohen. Als ich hierher kam, wusste ich nichts über Deutschland, und ich kannte auch kaum Deutsche. Mein Großvater ist ein Holocaust-Überlebender. Und in Israel sagten mir einige Leute: «Oh mein Gott, Du ziehst nach Deutschland, wie kannst du nur?» Ich habe damals gar nicht darüber nachgedacht! Meine ersten Nachbarn waren zwei Journalisten vom Spiegel und von der Berliner Zeitung. Die habe ich durch alltägliche Begegnungen kennengelernt, später kamen sie dann auch auf einem Framed-Abend vorbei. Daraus ist eine Freundschaft geworden. Mit der Journalistin habe ich dann auch eine Briefkolumne entwickelt, die später auch als Buch veröffentlicht wurde. Vermutlich habe ich in diesen Briefen meine Einwanderungserfahrungen am besten verarbeiten können. Beispielsweise habe ich hier gelernt, dass Klima den Menschen bestimmt. Ein Volk, das lange Zeit der Dunkelheit und Kälte kennt in jedem Jahr —

Und es gibt hier keinen Strand. Kein Meer.

Genau, kein Strand. Kein Sand auf den Bürgersteigen. Und diesen großen Umbruch vom Winter zum Sommer, den haben wir in Israel auch nicht. Da wird es allenfalls mild. Aber diese Jahreszeiten lassen sich hier überall wieder finden, als Einfluss. Auch in den Produkten der Kultur. Und das fasziniert mich. Nach wie vor. Und allmählich verstehe ich, dass wir uns sehr, sehr nahe sind, Deutsche und Israelis. Wir sind sozusagen die zwei Seiten desselben Traumas. Wir sind auf unterschiedliche Weise verwundet, aber die Verwundung rührt von derselben Sache her. Und das, glaube ich, hat uns für immer verbunden.

Das ist ein gutes Motto für das Festival, denke ich.

Das Festival könnte zu einem großartigen Moment werden, denn Musik ist oft das Einzige, abgesehen vom Essen, bei dem Menschen ohne Konflikte zusammenkommen können. Musik ist eine der wenigen Sprachen, die jeder versteht. Sie spricht direkt die Seele an. Deshalb ist es für mich so wichtig, Menschen zusammenzubringen, Brücken zu bauen. Egal, mit welcher Art von Musik übrigens. Solange es gute Musik ist. Weißt Du, was Duke Ellington mal gesagt hat, als man ihn nach seiner Lieblingsmusik gefragt hat? Er sagte, es gäbe nur zwei Arten von Musik auf der Welt: schlechte Musik und gute Musik.

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