Vogel entdeckt – Bezau Beatz Gründer Alfred Vogel im Gespräch

Wie regelmäßige Leser:innen unseres Newsletters wissen werden, verbringe ich im Sommer jeden Jahres ein paar Tage in Bezau in Bregenzer Wald. Dann findet dort, am Ursprungsort von Susanne Kaufmann, das Festival für Neue Musik «Bezau Beatz» statt. Eine einmalige Veranstaltung, die ihren Reiz für mich vor allem darüber entfaltet, dass man über ein Wochenende unterschiedliche Musik an ganz unterschiedlichen Orten dargebracht bekommt. Die Fahrt mit der kleinen Jazz-Eisenbahn durch die sommersatte Landschaft markiert dabei für mich den persönlichen Höhepunkt dieser unbeschwerten Zeit.

Über die Jahre ist so eine Tradition entstanden, die weder meine, noch die Familie von Susanne mehr missen möchte. Von daher freue ich mich beinahe doppelt über eine Gelegenheit zum Gespräch mit Alfred Vogel, dem Impressario des Festivals. Und Susannes Mann.

MELANIE DAL CANTON
Lieber Alfred, Du bist Musiker, das sollten unsere Leser:innen vielleicht vorab wissen.

ALFRED VOGEL
Genau. Ich bin Schlagzeuger. Zudem veranstalte ich «Bezau Beatz» und ich habe auch noch ein Label, Boomslang Records. Und ich habe Wirtschaftspädagogik studiert in Innsbruck vor vielen, vielen Jahren. Das aber nur, weil ich ursprünglich Rockstar werden wollte und meine Eltern fanden, davor sollte ich wenigstens etwas gescheites lernen.

Kann man verstehen. Ich bin ja auch zunächst Politologin geworden danach erst tiefer in die Kosmetikszene eingetaucht.

Mein Studium habe ich mir mit einer Rock’n Roll-Band finanziert. Wir haben damals in Kitzbühl auf den Siegerehrungen nach den Ski-Rennen gespielt und so.

Ah ja, schön.

Das war sehr gut bezahlt. Nach dem Abschluss bin ich dann natürlich nach New York gezogen, um den Jazz zu studieren. Auf jeden Drummer, dessen Spiel im Club mir gefallen hat, bin ich mit der Unverblümtheit des Naturburschen zugegangen. Das kam dort gut an. Einige haben mir Stunden gegeben. Mein ursprünglicher Plan war es gewesen, in New York das Drummer’s College zu besuchen, aber das stellte sich dann leider als eine superteure Schule heraus — damals schon! Von daher setzte ich das Geld, das ich für die Jazz-Schule auf der Hohen Kante hatte, konkret für ein Leben in New York ein. Kurz gesagt: ich blieb einfach dort.

Und warum bist Du dort nicht geblieben?

Der Liebe wegen. Bloß Liebe hat noch mehr Macht als die Musik. Sogar mehr noch als der Tod, wie Maupassant schreibt. Und ich war damals schon mit Susanne zusammen. Mit Susanne Kaufmann, meiner Frau.

Die MDC-Leserinnen und Kundinnen kennen sie natürlich.
Von ihren Produkten her. Und so manche wird sich auch schon gefragt haben, warum auf den Verpackungen ab und an ein Vogel auftaucht.

Trotz unserer Liebe war die Sache damals nicht leicht. Aber Susanne hatte gerade das Hotel zur Post übernommen und neu ausgerichtet. Man kann einen Betrieb nicht von einem anderen Kontinent aus führen. Es war eine Entscheidung für eine gemeinsame Zukunft. In Bezau, im Bregenzer Wald.

Nicht gerade Jazz-Country.

Ich hatte natürlich noch meine diversen Bands zu Hause und habe mich auch gefreut, wieder mit ihnen zu spielen. Und natürlich auch mit Susanne zusammen zu sein. Aber dann kam eine Durststrecke, weil in Bezau halt nichts los war.

Ausser Wellness und Naturschönheiten.

In Hülle und Fülle. Aber es war auch die Anfangszeit des Internets. Ich habe dann abends viel mit Leuten aus der New-Yorker-Szene kommuniziert. Die Melodie des 56k-Modems könnte ich heute noch singen. Und die New Yorker haben gesagt «If there’s nothing happening in Bezau, then you gotta make it happen». And we took it from there…

Faszinierend. Mittlerweile ist Bezau Beatz etabliert und gehört zum Ort wie das Hotel zur Post.

Ja, das ist gelungen. Aber die Anfänge waren zäh. Die Leute von Bezau hatten ja mit dieser Art von Musik nichts am Hut. Und die Schönheit und Beschaulichkeit der Gegend dort lullt auch etwas ein. Man wird wie berauscht von der Natur über die Zeit. Aber dann kamen, anfänglich bloß aus Deutschland, Schweiz und Österreich, Musikfreunde angereist. Immer wieder auch welche aus ferneren Ländern. Die Musiker ja sowieso. Das hat für meine Idee gesprochen. Neue Impulse.

Da spüre ich eine Verbindung zu Dir, obwohl ich etwas ganz anderes mache: Man muss zu seiner Idee stehen. Sie verfolgen klingt so blöd. Aber dass man sich davon nicht irritieren lassen darf, wenn die Leute sie anfänglich nicht gutheissen, sie nicht zu verstehen glauben, das war bei mir mit MDC auch genau so. Es gab so gut wie niemanden hier in der Gegend, der diesen Laden begrüßt hätte. Das musste sich entwickeln. Durch den Glauben an die Idee.

Ich sage immer, dass das Drumset mein Vehikel ist, mit dem ich durch mein Leben navigiere. Das Schlagzeug hat mich zu meiner Frau gebracht, das hat mich in so viele Länder gebracht, an manche Orte dieser Welt, die ich als Tourist im Leben nie besucht hätte. Aber wenn man für ein Festival gebucht ist, schließt Du solche Orte für dich auf. Dadurch kriegst du andere Eindrücke. Du wirst auch mit Dingen und Menschen konfrontiert, die du dir nicht selbst ausgesucht hast. Das hält dich wach. Lebendig auch. Und im Grunde ist es das, was ich mit dem Festival will, was ich mit dem Label will: Anderen diese Impulse bringen, die sie aufwecken, wach halten und am Leben.

Auch da finden wir uns: Das würde ich genau so unterschreiben als Kurzphilosophie von MDC. Du beschreibst Deine Musik, die Musik, die auf dem Festival von anderen gespielt wird, auch mit «sehr vorne».

Immer etwas abstrakt über Musik zu reden, aber die Musiker, die ich gerne höre und die bei mir auftreten oder mit denen ich spiele, muss man sich vorstellen wie Wissenschaftler, wie Jazz-Mediziner vielleicht. Herzspezialisten. Die ganz weit vorne sind, ultra fortgeschritten in ihren Forschungen der Jazz-Wissenschaft: Der Sound of Science.

MDC geht ins 13. Jahr, Dein Festival findet im kommenden Jahr zum 19. mal statt.

Und anfänglich wollte ich noch jedes Jahr, nachdem ich fertig war, aufgeben. Ein bisschen auch aus einer Enttäuschung heraus, dass noch immer zu wenige von den Einheimischen gekommen waren für mein Gefühl.

Weißt Du, woran das gelegen haben könnte?

Mittlerweile denke ich, die sind einfach so. Vor allem meiner Musik gegenüber skeptisch. Verstehen folgt auf Zuhören. Man muss einfach auch mal die Klappe halten und eine Dreiviertelstunde lang versuchen, sich mit einer einzigen Sache für sich zu beschäftigen. Das fiel und fällt vielen Menschen nicht leicht. Es wird als unbequem empfunden. Im Leben hat man im Grunde stets zwei Möglichkeiten. Entweder man interessiert sich nicht und das war es dann auch. Oder man zeigt Interesse, aber dann wird es anstrengend. Leider. Das ist meiner Erfahrung nach mit allem so. Das sehe ich auch hier in Deinen Läden, Melanie. Du hast hier all die schönen Dinge. Und hinter jedem Ding verbirgt sich ein Universum an Geschichte, weil ja auch irgendein Mensch dahinter steht. Und der Mensch hat einen Werdegang. Da merkst Du plötzlich: Wow! Ein Universum tut sich auf.

Mittlerweile haben wir beide unser Publikum gefunden, das genau danach gesucht hat.

Jazz ist ja komischerweise eine unausrottbare Musik.

Der Wunsch nach Schönem auch.

 

Das Buch von Alfred Vogel «Have You Met Mr. Lanz?», erschienen bei Boomslang Records, wird bei MDC verkauft.

 

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